PflanzenFachagentur Nachwachsende Rohstoffe e. V.

 

Workshop 2024

Neues von der Nachwuchsgruppe Arzneipflanzen am Julius Kühn-Institut

Bei dem nunmehr 4. Workshop gab die Nachwuchsgruppe Arzneipflanzen (NWG) am 19. Februar 2024 wieder einen Einblick in den aktuellen Stand ihrer Arbeit.

Grundlegende Informationen zu den Zielen der NWG und den Kulturen finden sich in den Berichten der beiden Workshops aus den Jahren 2021 und 2022.

 

Johanniskraut

Ahmed El Menuawy konzentrierte sich in seinem Vortrag zum Johanniskraut vor allem auf den Wirkstoff Hypericin. Dessen Gewinnung ist wirtschaftlich besonders interessant, da es in der Krebsbehandlung, etwa für die photodynamische Therapie oder als Kontrastmittel verwendet wird. Auch als Antidepressivum spielt Hypericin eine Rolle.

Zwar liegt der Hypericin-Gehalt auch in den Blättern und späten Blüten noch über den 0,08 Prozent, die das Europäische Arzneibuch als Mindestgehalt vorschreibt, die Knospen und frühen Blüten von Hypericum enthalten jedoch mit Abstand das meiste Hypericin. Da der Zeitpunkt des maximalen Aufkommens früher Blüten sich von Jahr zu Jahr relativ stark unterscheidet, ist eine Aussage zum besten Erntezeitpunkt schwierig. Für die genaue Vorhersage setzt El Menuawy deshalb auf Künstliche Intelligenz (KI): Mit seinem Team entwickelt er aktuell ein Computermodell, das in der Lage ist, Blüten auf hochaufgelösten Drohnenfotos zu erkennen und zu zählen. Ziel ist es, mit dem Modell den optimalen Erntezeitpunkt für alle Wirkstoffe – neben Hypericin auch Hyperforin und Flavonoide – und einen hohen Ertrag im Sinne eines bestmöglichen Kompromisses bestimmen zu können. Das Modell soll ab Sommer 2025 als freie Version im Netz verfügbar sein, so dass es jeder mit einem PC und einer Drohne nutzen kann.

Heilpflanze Johanniskraut (Quelle: Bernd S. - stock.adobe.com)

Heilpflanze Johanniskraut (Quelle: Bernd S. - stock.adobe.com)

Pilzliche Schaderreger

Lana-Sophie Kreth bearbeitet das Thema Pilzliche Schaderreger an Arzneipflanzen. Wie weit verbreitet die Pilze sind, zeigt das Beispiel Johanniskraut: Von 18 Saatgut-Chargen, die Kreth auf dem freien Markt gekauft und auf Befall mit dem samenbürtigen Erreger der Johanniskrautwelke untersucht hat, waren 13 Chargen positiv. Welche konkreten Auswirkungen sich dann beim Anbau im Feld zeigen, muss noch untersucht werden.

Zu den Bekämpfungsstrategien zählt die Heißdampfbehandlung. Diese funktionierte bei Kreths Versuchen mit inokuliertem Johanniskraut-Saatgut sehr gut. Die Sporen des Welkeerregers konnten damit vollständig abgetötet werden. Es ist hier jedoch zu beachten, dass der Erreger nach der Inokulation nur außen auf dem Saatgut lokalisiert war. Unter Praxisbedingungen kann der Erreger auch in das Sameninnere einwachsen und ist dann schwieriger zu bekämpfen. Sehr gute Ergebnisse wurden mit der Heißdampfbehandlung auch bei natürlich infiziertem Saatgut von Schabzigerklee erzielt, bei dem diverse natürlich auftretende Pilze vollständig abgetötet wurden. Auch bei weiteren Kulturen wie Dill, Koriander, Kresse, Malve und Petersilie lagen die Reduktionsraten zwischen gut 60 und gut 90 Prozent. Die Keimraten stiegen in der Regel, teils deutlich.

Aussaatversuche von potenziell infiziertem Anissaatgut ergaben, dass auch der Pilz, der bei Anis erstmals 2022 in Österreich die Blattfleckenkrankheit verursacht hat (Passalora malkoffii), samenbürtig ist. Bei Fenchel ist Fusoidiella anethi für mitunter sehr starke Ernteausfälle verantwortlich. Für diesen Pilz entwickelt Kreth zurzeit eine neue Nachweismethode.

Die Suche nach Strategien gegen den Johanniskrautwelke-Erreger läuft weiter. Versuche mit Mikroorganismen zeigten bisher noch nicht den gewünschten Erfolg und werden nun mit weiteren Produkten fortgeführt . Auch das Resistenzscreening in den diversen, am JKI angebauten Hypericum-Akzessionen läuft weiter.

Pilzerreger (Quelle: Lana-Sophie Kreth, JKI)

Pilzerreger (Quelle: Lana-Sophie Kreth, JKI)

Anis

Anne-Marie Stache bearbeitet Anis am JKI. Diese aus dem Mittelmeerraum stammende Kultur bringt eigentlich Potenziale für aktuelle Probleme der Landwirtschaft mit: Sie ist trockentolerant, insektenfreundlich, benötigt wenig Dünger und begünstigt als Sommerung die mechanische Bekämpfung resistenter Gräser. Noch dazu ist die Nachfrage nach Anis sehr hoch. Dass der Anbau hierzulande dennoch stagniert, könnte daran liegen, dass die Pflanze recht empfindlich auf die zunehmenden Wetterextreme reagiert. Zu kalte, zu nasse, aber auch extrem trockene Wetterphasen führen zu verzögerter Keimung und Abreifung, starker Verunkrautung oder Pilzbefall der Früchte. Auch Totalausfälle kommen vor. Wer sich trotzdem an die Kultur wagt, sollte einen Aussaatzeitpunkt zwischen Anfang April und Mitte Mai wählen. Trockene, sonnige und warme Jahre fördern einen hohen Ätherisch-Öl-Gehalt, ebenso wie die Ernte von grünem, nicht vollständig abgereiftem Anis. Exponierte Lagen sind günstiger als geschützte.
Vor dem Hintergrund der Empfehlungen der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) von 2023 zum Verzicht auf estragolhaltige Nahrungsmittel insbesondere für schwangere und stillende Mütter und Kinder bis vier Jahre stellt sich die Frage des Estragolgehaltes im Anis. Nach einer Studie von 2008 hatte in Deutschland erzeugter Anis im Vergleich zu andern europäischen Herkünften im Schnitt tatsächlich den höchsten Estragolgehalt von 2 Prozent im ätherischen Öl. Es gab aber auch Chargen mit Anteilen von 0,5 Prozent. Stache will nun alle am JKI erzeugten Anisölproben untersuchen, um den Einfluss von Genotyp, Reifegrad und Umweltbedingungen auf den Etsragolgehalt zu bestimmen. Zu vermuten ist aber, dass der Estragolgehalt mit zunehmender Reife abnimmt. Sofern dies zutrifft, müssten Anbauer sich zwischen grün geerntetem Anis mit hoher Ölausbeute, aber hohem Estragolgehalt und spät geerntetem, reifen Anis mit zwar niedriger Ölausbeute, jedoch geringem Estragolgehalt entscheiden. 

Anis (Quelle: spline_x - stock.adobe.com)

Anis (Quelle: spline_x - stock.adobe.com)

Süßholzgewächse

Süßholzgewächse enthalten interessante bioaktive Inhaltsstoffe. Mehr als 400 davon wurden bereits beschrieben, darunter solche mit antiviraler, antibakterieller und potenziell krebshemmender Wirkung. Inwieweit sich bestimmte Verbindungen aus Blattextrakten auch für den biobasierten Pflanzenschutz eignen, dazu forschte bis Mai 2023 Sophie Bliedung und jetzt ihre Nachfolgerin Yvonne Schleusner am JKI. 
Sophie Bliedung untersuchte Rohextrakte aus Blattmaterial von 19 Süßholzakzessionen aus sechs Süßholz-Spezies auf ihr antifungales Potenzial. Aus den besten Extrakten isolierte sie die pilzhemmende Hauptkomponente, bei der es sich chemisch gesehen um ein prenyliertes Dihydrostilben handelt. Bei Versuchen zur Wirksamkeit auf Fusarium culmorum zeigte es je nach Konzentration eine Hemmwirkung von knapp 50 Prozent (0,5 mg/l), knapp 60 Prozent (5 mg/l) und knapp 80 Prozent (50 mg/l). Bei Wurzelfäule (Phytophthora cinnamoni) fiel die Hemmwirkung schwächer aus (etwa 65 Prozent bei 50 mg/l).
Versuche mit Pflanzenschutzmitteln auf Süßholzbasis gibt es schon seit längerem in verschiedenen Kulturen. Die Nachwuchsgruppe konnte nun die chemischen Zusammenhänge aufklären. Damit ist es möglich, auch in anderen Pflanzen nach dieser wirksamen Komponente zu suchen und womöglich noch bessere Quellen für sie als Süßholz zu finden. 
Die Nachfrage nach Süßholzprodukten ist da. Deutschland ist ein bedeutender Exporteuer von Süßholzwurzelextrakten, einen Anbau der Pflanze gibt es hierzulande aber so gut wie gar nicht. Dabei ist die Pflanze sehr tolerant gegenüber Schwankungen bei Temperatur und Wasserversorgung und wächst auch auf sandigen Böden. Interessenten erhalten Anbauinformationen bei der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) im Arbeitsbereich Arznei- und Gewürzpflanzen.

Süßholz (Quelle: Kompor - stock.adobe.com)

Süßholz (Quelle: Kompor - stock.adobe.com)

Hintergrund

Die NWG am JKI will die Wettbewerbsfähigkeit des heimischen Arznei- und Gewürzpflanzenanbaus verbessern. Sie wird seit 2020 und noch bis Mitte 2025 vom BMEL über den Projektträger FNR gefördert.