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Projektnews

Lässt sich das Sanddornsterben aufhalten?

Wissenschaft gibt erste Anhaltspunkte

Seit Ende 2020 suchen Forschende nach den Ursachen und versuchen, Gegenstrategien zu entwickeln. Noch gibt es keine abschließenden Ergebnisse, aber eine Reihe von Hinweisen. Projektbearbeiterin Daniela Kuptz von der Landesforschungsanstalt für Landwirtschaft und Fischerei Mecklenburg-Vorpommern (LFA): „Wir stellen fest, dass Sanddorn in Kultur doch mehr Aufmerksamkeit braucht, als bisher angenommen. Gezielte Bewässerung fördert das Wachstum dieses Wildobstes, das bislang als trockentolerant galt. Für die Bewässerung sprechen auch die in den letzten Trockenjahren vielerorts gefallenen Grundwasserspiegel. ‚Gezielt‘ bedeutet, Menge und Zeitpunkt der Bewässerung genau an die Bedürfnisse der Pflanzen am jeweiligen Standort anzupassen. Dazu brauchen die Anbauer Kulturanleitungen, ähnlich, wie es sie für Kulturobst schon lange gibt. Wir arbeiten daran, eine solche Anleitung für Sanddorn zum Aspekt Bewässerung und weiteren Kriterien zu erstellen, die auf verschiedene Standorte übertragbar ist.“

Bewässerte Bestände sind nicht gegen die Krankheit gefeit, wachsen aber grundsätzlich kräftiger und bringen mehr Ertrag. Auch die Bodenbedingungen haben hier nach Kuptz einen Einfluss:  Auf lehmigen Sandböden scheinen die Pflanzen deutlich wüchsiger als auf reinen Sandböden zu sein.

Als Krankheitsverursacher spielen sehr wahrscheinlich bodenbürtige und insbesondere holzzerstörende Pilze eine Rolle. Die Untersuchungen dazu laufen derzeit am Institut für Pflanzenschutz im Obst- und Weinbau des Julius Kühn-Instituts (JKI) noch. Moderne Untersuchungsmethoden zeigten, dass es in symptomatischen Pflanzen zu einer Anreicherung von mehreren pilzlichen Gattungen kommt. Darunter befinden sich sowohl bereits bekannte als auch für Sanddorn noch unbekannte potentielle Pathogene. Zurzeit werden Infektionsversuche im Gewächshaus durchgeführt, um den Einfluss ausgewählter Pilzisolate auf Sanddornpflanzen zu überprüfen und mögliche Erregerszenarien aus der Natur nachzustellen. Neben Pilzen wurden auch andere Mikroorganismen, wie Viren und Phytoplasmen, zellwandlose Bakterien, mit in die diagnostischen Arbeiten am JKI einbezogen. In dem bisher als virusfrei geltenden Sanddorn konnte ein Virus der Gattung Idaeovirus detektiert werden, allerdings scheint dies nach den bisherigen Untersuchungsergebnissen keine tragende Rolle in Bezug auf das Absterben der Pflanzen zu spielen. „Letztendlich bestätigt sich offenbar, dass das ‚Sanddornsterben‘ das Ergebnis vieler zusammenwirkender abiotischer und biotischer Faktoren ist“, fasst Kuptz zusammen. „In der Folge könnte ich mir vorstellen, dass auch Sanddorn ebenso intensiv wie andere obstbauliche Kulturen behandelt und gepflegt werden muss. Obstbaubetriebe haben Erfahrungen im Anbau von Dauerkulturen und Gehölzen und verfügen oftmals bereits über Bewässerungssysteme. Durch den größeren Aufwand könnten die Erzeugerpreise dann allerdings tendenziell steigen, was eine Abnahme des Anbauumfanges nach sich ziehen könnte. 2022 lag die Anbaufläche in Deutschland bei rund 700 Hektar und damit auf ähnlichem Niveau wie die von Himbeeren und Johannisbeeren,“ so die Forscherin.

Sanddornfrüchte werden in Deutschland bereits seit den 1940er Jahren genutzt. Mit Züchtungen im eigentlichen Sinn begann man aber erst Ende der 1960er-Jahre, v. a. für den Küstenschutz, etwas später kam dann auch die Selektion und Züchtung von Sorten für die Fruchtnutzung dazu.

Bis 2015 galt Sanddorn als aufstrebende Kultur und Bereicherung der Anbaupalette. Trotz der Ernüchterung, die hier inzwischen eingetreten ist, ist die Nachfrage nach wie vor hoch und eher noch zunehmend, u. a. aus dem Kosmetikbereich. Die Potenziale des Sanddorns für diesen Sektor sind noch nicht voll erschlossen, nicht alle Inhaltsstoffe in ihrer Wirkung ganz verstanden. Aktuell besteht ein großes Interesse am Sanddornöl für Hautpflegemittel. Bei einem Rückgang des heimischen Anbaus würde die Nachfrage nach Sanddornprodukten vermutlich durch höhere Importe gedeckt. Daniela Kuptz glaubt jedoch nicht, dass der Anbau hierzulande ganz zum Erliegen kommt: „Es gibt nach wie vor Betriebe, die die Pflanze erfolgreich kultivieren“. Was diese Betriebe von anderen, betroffenen Betrieben unterscheidet, will die LFA durch Befragungen herausfinden.

Sanddorn in Wildbeständen nimmt durch sein ausgeprägtes Wurzelsystem eine wichtige Funktion im Wind- und Erosionsschutz an Nord- und Ostseeküsten ein. Eine künstliche Bewässerung ist hier allerdings keine Option und auch eine adäquate Pflege von Wildbeständen kaum möglich. Für den wildwachsenden Sanddorn sind die Prognosen daher aktuell düster. Jenny Scheel vom Landesamt für Landwirtschaft, Lebensmittelsicherheit und Fischerei Mecklenburg-Vorpommern kartiert im Rahmen von HippRham die Ausbreitung der Krankheit in Wildbeständen entlang der Ostseeküste. Von den bis Ende 2022 52 bonitierten Wildbeständen sind die Bestände an 29 Standorten geschädigt und an 21 Standorten bereits abgestorben. Lediglich 2 Standorte wiesen vitale Bestände auf.

Derzeit ist unklar, inwieweit sich geschädigte Bestände wieder aus eigener Kraft regenerieren können oder ob vielleicht auch gezielte Neuanpflanzungen zielführend sind. Hier gilt es, die Bestände weiter intensiv zu beobachten, um zukünftig mögliche Handlungsempfehlungen für Wildbestände ableiten zu können.

HippRham wird von der LFA koordiniert, die sich schon lange mit obstbaulichen Spezialkulturen beschäftigt. So stehen auf LFA-Versuchsflächen gleich mehrere ursprüngliche Wildobstarten: Neben Sanddorn auch Kornelkirsche, Eberesche, Haskap und Ölweide. Zum Glück sind im Anbau der letzteren vier Obstarten bislang noch keine so großen Probleme wie beim Sanddorn aufgetreten.

Projektinformationen

Das Vorhaben „Erforschung der Ursachen des Sanddornsterbens und Entwicklung von Gegenmaßnahmen (HippRham)“ wird vom BMEL über den Projektträger FNR gefördert.

Informationen finden sich auf https://www.fnr.de/projektfoerderung/projektdatenbank-der-fnr unter folgenden Förderkennzeichen:

2220NR130A: Abiotische Stressoren und pflanzenbauliche Maßnahmen - Landesforschungsanstalt für Landwirtschaft und Fischerei Mecklenburg-Vorpommern (LFA)

2220NR130B: Pathogendiagnostik -Julius Kühn-Institut Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen (JKI) - Institut für Pflanzenschutz im Obst- und Weinbau

2220NR130C: Prüfung von Pflanzenschutzverfahren -Landesamt für Landwirtschaft, Lebensmittelsicherheit und Fischerei Mecklenburg-Vorpommern

 

Der NDR berichtete zum Thema:

Radiobeitrag aus Anlass der internationalen Sanddorn-Konferenz in Thessaloniki am 22. Mai 2023

Bericht über einen Sanddorn anbauenden Landwirt in Mecklenburg-Vorpommern (Radio-Beitrag / TV-Beitrag)

Bericht zum Projekt HippRham

 

Über Sanddorn
Der Sanddorn (Hippophae rhamnoides L.) gehört zur Familie der Ölweidengewächse. Es handelt es sich um ein zweihäusiges Gehölz, welches sowohl als kleiner bis mittelgroßer Strauch oder baumförmig (bis 5 m hoch) wachsen kann. Seine Wurzel mit kriechenden Ausläufern ist tief im Boden verankert, die Äste und Zweige sind dornig und sparrig. Sanddorn ist ein Windbestäuber, luftstickstoffbindend und fruchtet am vorjährigen Holz weiblicher Pflanzen. Die unscheinbaren, im April erscheinenden Blüten bilden ab Mitte August orangerote, eiförmige, bis 1 cm große Beeren aus, die einen nussartigen Kern enthalten und sehr sauer schmecken. Dies und ihr hoher Vitamin C-Gehalt brachte den Früchten den Beinamen „Zitrone des Nordens“ ein. Insgesamt enthalten die Sanddornfrüchte zahlreiche Vitamine: neben Vitamin C vor allem Vitamin A, B1, B2, Niacin, Folsäure, Vitamin E und K. (Quelle: https://pflanzen.fnr.de/industriepflanzen/arzneipflanzen/pflanzen-datenbank, verändert durch LFA). Zudem wurde im Sanddorn als eine von wenigen Pflanzen das Vitamin B12 nachgewiesen, was ihn besonders wertvoll für die vegane Ernährung machen könnte.

Die Früchte sind nicht nur gesund, sondern auch Träger von Farbstoffen und arzneilichen Wirkstoffen. Sogar die nadelförmigen Blätter des Sanddorns standen schon im Fokus der Forschung, als potenzielle Lieferanten sekundärer Pflanzeninhaltsstoffe für dermatologische Zwecke (Informationen unter https://www.fnr.de/index.php?id=11150&fkz=22018911).

Kultursanddorn wurde aus den einheimischen Wildvorkommen selektiert und gezüchtet. Von den für den Anbau in Deutschland geeigneten Sorten ‘Habego‘, ‘Leikora‘, ‘Frugana‘, ‘Askola‘, ‘Hergo‘, ‘Dorana‘, und ‘Sirola‘ weist nach jetzigem Kenntnisstand leider keine Resistenzen gegenüber dem Sanddornsterben auf, hier bedürfte es neuer Züchtungen.

Obwohl Sanddorn Windbestäuber ist, dient er einigen Bienen-Arten als Pollenspender. Die Beeren sind zudem Nahrung für sehr viele Vogel-Arten.   

Sanddornfrüchte (hier ein erntereifer Strauch der Sorte ‘Habego‘) enthalten zahlreiche Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente sowie wertvolle ungesättigte Fettsäuren. Foto: Daniela Kuptz

Sanddornfrüchte (hier ein erntereifer Strauch der Sorte ‘Habego‘) enthalten zahlreiche Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente sowie wertvolle ungesättigte Fettsäuren. Foto: Daniela Kuptz

Kranker Sanddornstrauch. Foto: Daniela Kuptz

Kranker Sanddornstrauch. Foto: Daniela Kuptz

„Sanddorn in Kultur braucht doch mehr Aufmerksamkeit, als bisher angenommen. Eine gezielte Bewässerung fördert das Wachstum dieses Wildobstes.“ 
Daniela Kuptz, Projektbearbeiterin HippRham
Foto: Adelheid Elwert

„Sanddorn in Kultur braucht doch mehr Aufmerksamkeit, als bisher angenommen. Eine gezielte Bewässerung fördert das Wachstum dieses Wildobstes.“

Daniela Kuptz, Projektbearbeiterin HippRham

Foto: Adelheid Elwert