PflanzenFachagentur Nachwachsende Rohstoffe e. V.

 

Weißdorn

Weißdorn:
Eingriffeliger Weißdorn (Crataegus monogyna Jacq.),
Zweigriffeliger Weißdorn (Crataegus laevigata DC., Syn: Crataegus oxyacantha L.),
Fünfgriffeliger Weißdorn (Crataegus pentagyna Waldst. & Kit. ex Willd),
Dunkler Weißdorn (Crataegus nigra Waldst. & Kit.),
Azaroldorn (Crataegus azarolus L.)

 

 

48 Phytopharmaka und 50 Homöopathika belegen, dass Weißdorn eine der wichtigsten in Deutschland zu Arzneimitteln verarbeiteten Arzneipflanzen ist. Da er die Herz-Kreislauffunktion unterstützt, wirkt man mit weißdornhaltigen Phytopharmaka der nachlassenden Leistungsfähigkeit des Herzens entgegen. Weißdorn wurde zur Arzneipflanze des Jahres 2019 gewählt.

Synonyme
Hagdorn, Hagedorn, Hageapfel, Mehlbeere, Mehl­beerbaum, Mehldorn, Mehlhosen, Mehlfässchen, Hekkendorn, Heckdorn, Christdorn, Handorn, Haynerholz, Heinzerleinsdorn, Müllerbrot, Weißheckendorn

Biologie
Weißdorn gehört zur Familie der Rosengewächse (Rosaceae). Von weltweit mehreren hundert Weißdornarten werden in Deutschland vor allem Eingriffeliger und Zweigriffeliger Weißdorn für die Arzneimittelherstellung genutzt. Auch Fünfgriffeliger Weißdorn, Dunkler Weißdorn und Azaroldorn sind von Bedeutung. Die genannten Weißdornarten unterscheiden sich in ihrem Erscheinungsbild.
Der Eingriffelige Weißdorn ist ein 1 bis 10 m hoher, dornenreicher Strauch oder Baum mit typischen, bis zu 35 mm langen, breit ei- oder rautenförmigen, drei-  bis siebenlappigen Blättern, die mindestens bis zur Hälfte eingeschnitten sind. Die in der Zeit von April bis Juni in Form von Doldenrispen getriebenen weißen Blüten weisen einen Griffel auf; die im Herbst gebildeten roten und mehlig schmeckenden Früchte enthalten einen Steinkern.

Zweigriffeliger Weißdorn ist ein bis zu 12 m hoher Baum oder Strauch mit 6 bis 15 mm langen Dornen; die bis zu 4 cm langen Blätter sind drei- bis fünffach gelappt, wobei die Blatteinschnitte niemals die Blattmitte überschreiten. Die zwischen April und Juni getriebenen weißen oder rosafarbenen Blüten stehen in aufrechten Doldenrispen und enthalten neben zahlreichen Staubblättern 2 bis 3 Griffel. Die im Herbst gebildeten, bis zu 12 mm langen, roten, mehlig schmeckenden Früchte enthalten 2 bis 3 Steine.
Bei Fünfgriffeligem Weißdorn handelt es sich um einen bis zu 5 m hohen Strauch oder Baum mit wenigen, 1 cm langen Dornen und 2 bis 6 cm langen Blättern mit 3 bis 5 ungleich gesägten Lappen. Die zwischen April und Juni gebildeten Blüten stehen in 4 bis 7 cm breiten grauzottigen Doldenrispen. Die im Herbst gebildeten, länglichen, tief purpurroten und mehlig schmeckenden Früchte weisen 4 bis 5 Fruchtfächer auf.

Dunkler Weißdorn ist ein bis zu 4 m hoher Strauch oder Baum mit stark weiß-filzig behaarten, später kahl werdenden jungen Trieben und zahlreichen, bis zu 1 cm langen Dornen. Die Blätter sind 5 bis 8 cm lang, im Umriss eiförmig und tief fiederlappig. 10 bis 14 der zwischen April und Juni gebildeten weißen Blüten stehen in dicht weißwollig filzigen Blüten­ständen, die Blüten weisen 20 Staubblätter und 5 Griffel auf. Die im Herbst gebildeten Früchte sind bis zu 1 cm dick, glänzend schwarz und schmecken mehlig.
Bei Azaroldorn handelt es sich um einen bis zu 8 m hohen, breit verasteten Baum oder Strauch mit anfangs mehr oder weniger dicht weiß-filzigen Zweigen, die später kahl werden. Kräftige, mehr als 1 cm lange Dornen sind in variabler Zahl vorhanden. Die Blätter weisen filzig behaarte Stiele auf und sind 6 bis 7 cm lang, verkehrt eiförmig bis rautenförmig sowie tief drei- bis siebenfach gelappt. Die im Zeitraum von April bis Juni gebildeten Blüten stehen dicht in aufrechten grau- bis weißfilzigen Blütenständen und enthalten 20 Staubblätter und 2 bis 3 Griffel. Die im Herbst gebildeten, kugeligen, orange bis gelben und mehlig schmeckenden Früchte haben einen Durchmesser von ca. 2 cm und sind leicht behaart.
Anzumerken ist, dass die verschiedenen Weißdornarten leicht Mischformen bilden, so dass sich die Zuordnung der Einzelpflanzen zu den verschiedenen Weißdornarten schwierig gestaltet.

Vorkommen
Wie auch im Erscheinungsbild unterscheiden sich die Weißdornarten im Vorkommen.
Eingriffeliger Weißdorn kommt in Europa bis zum Kaukasus und Sibirien vor und findet sich ebenfalls im Himalaja, in Syrien und in Nordafrika. Er wächst auf vielen Böden, bevorzugt jedoch schwere, kalkreiche Lehmböden. Er findet sich in Gebüschen, Laubwäldern sowie an Hecken und Zäunen.
Zweigriffeliger Weißdorn kommt in Europa bis Mittelskandinavien und Finnland vor. Er wächst vorwiegend auf trockenen Böden in lichten Gebüschen und Laubwäldern.

Fünfgriffeliger Weißdorn findet sich auf dem Balkan bis Nordpersien und im Kaukasus bis Südsibirien.
Dunkler Weißdorn kommt in Zentral- und Südungarn, Bosnien, Herzegowina und Serbien vor.
Azaroldorn ist in einem Gebiet von Kreta bis Turkestan beheimatet, findet sich jedoch in verwilderter Form im gesamten Mittelmeergebiet.

Die zur Produktion von Phytopharmaka genutzten Blätter, Blüten und Zweige von Weißdorn werden nahezu ausschließlich mittels Wildsammlung in verschiedenen osteuropäischen Ländern wie Bulgarien, Rumänien, Polen und Ungarn sowie in China gewonnen.

Anbau
Wenngleich Weißdorn zur Fruchtproduktion in geringem Umfang angebaut wird, hat sich ein Anbau zur Produktion von Blättern und Blüten bislang noch nicht etabliert. Untersuchungen zur Inkulturnahme und zum Anbau werden dadurch erschwert, dass Weißdorn frühestens drei Jahre nach Anbau die ersten Blüten trägt und erst nach etwa 5 Jahren echte Erträge bringt. Da das Gehölz jedoch langlebig ist, kann viele Jahre lang geerntet werden. In einer Studie wurden 180 Weißdornwildvorkommen auf Inhaltsstoffgehalt, Wuchsform, Bedornung und Wuchsstärke untersucht und 21 getestete Vorkommen angebaut. Erste Ergebnisse zeigen, dass inhaltsstoffreiche Weißdornblätter und -blüten kurz vor der Vollblüte geerntet werden können. Da Weißdorn Cadmium aufnimmt, sollte der Anbau auf schwermetallarmen Böden erfolgen. Laufen die aktuellen Untersuchungen zur Wirtschaftlichkeit des Weißdornanbaus mit Erfolg, ist die Grundlage für einen großflächigen Anbau von Weißdorn als Arzneimittelwirkstoff gelegt.

Zur Produktion von Phytopharmaka verwendete Pflanzenteile
Für Phytopharmaka werden primär die wirkstoffhaltigen Weißdornblätter und -blüten verwendet, die sich an den etwa 7 cm langen Zweigspitzen des blühenden Weißdornstrauches befinden. Das getrocknete Pflanzenmaterial (Droge) wird lateinisch als Crataegi folium cum flore bezeichnet.
Auch Früchte (lat. Crataegi fructus) sind in pflanzlichen Arzneimitteln enthalten.

Inhaltsstoffe

  • Flavonoide, insbesondere Hyperosid, Rutin, Vitexin
  • oligomere Procyanidine, insbesondere Epicatechin
  • Catechine
  • Triterpensäuren
  • aromatische Carbonsäuren
  • Aminoderivate
  • Purinderivate

Zubereitungen
Während Weißdornblätter und -blüten traditionell zu Tee aufgegossen werden, sind in Arzneimitteln Presssaft oder Extrakte enthalten. Letztere werden durch Auszug der wirkstoffhaltigen Weißdornbestandteile vor allem mit wässrig­alkoholischem, aber auch mit wässrigem oder wässrig-acetonischem oder öligem Extraktionsmittel gewonnen.

Pharmakologische und medizinische Wirkung
Weißdorn bessert das Allgemeinbefinden und unterstützt die Herz-Kreislauf-Funktion. Für Tee werden traditionell ca. 1,5 g Blüten und Blätter pro Tasse Tee aufbereitet; die Tagesdosis Weißdornblätter und -blüten liegt bei 5 g Droge. Klinische Studien belegen die Wirksamkeit bei nachlassender Leistungsfähigkeit des Herzens. Denn Weißdorn erhöht die Fähigkeit des Herzens, sich zusammen zu ziehen, und verringert den Widerstand der Blutgefäße. Dadurch nehmen Herz­leistung und Durchblutung zu und das Herz verträgt Sauerstoffmangel besser. Die Monographie „Weißdornblätter mit Blüten“ der Kommission E empfiehlt eine Tagesdosis von 160 bis 900 mg eines wässrig-alkoholischen Weißdornextrakts mit einem definierten Gehalt an Flavonoiden von 4 bis 20 mg bzw. an oligomeren Procyanidinen von 30 bis 160 mg; klini­sche Studien raten zu 600 bis 900 mg Extrakt pro Tag. Die Behandlung sollte mindestens über  6 Wochen erfolgen. Auch für eine Kombination aus Weißdornblättern, -blüten und -früchten ist die genannte Wirkung anerkannt. Weißdorn gilt als gut verträglich.

Weißdorn (Crataegus monogyna)

Foto: Weißdorn (Crataegus monogyna Brookgardener), Shutterstock