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Echte Kamille

Echte Kamille (Matricaria recutita L.)

Auch die Echte Kamille ist eine wichtige in Deutschland produzierte und zu Phytopharmaka verarbeitete Arzneipflanze. Rund 60 Präparate mit Kamille und sieben mit Kamillenöl sind auf dem Markt. Von diesen Präparaten zählen 40 zu den Phytopharmaka und 27 zu den Homöopathika. Mit Kamille behandelt man nicht nur entzündliche Haut- und Schleimhauterkrankungen im Mund- und Rachenraum, der Luftwege sowie im Anal- und Genitalbereich. Auch bei Magen-Darm-Beschwerden mit leichten Krämpfen, Blähungen und Völlegefühl wird sie eingesetzt. In Form von Kamillentee ist sie auch ein beliebtes Getränk.

Synonyme
Kamille, Feldkamille, Garmille, Kummerblume, Mägdeblume, Apfelblümlein, Ganille, Mutterkraut, Hermel, Kammerblum, Kuhmelle

Biologie
Echte Kamille gehört zur Familie der Korbblütengewächse (Asteraceae, Compositae). Es handelt sich um eine einjährige Pflanze mit einer spindelförmigen Wurzel mit zahlreichen nicht tief reichenden Faserwurzeln. Als Wildpflanze erreicht sie eine Höhe von bis zu 50 cm, als Kulturpflanze von bis zu 80 cm. Die Stängel sind leicht gerillt und verzweigt, die Blätter oval-lanzettlich mit zwei- bis drei Fiedern. Im Mai bis Juni werden die Blütenköpfchen gebildet, die aus einem Kranz aus weißen Rand- bzw. Zungenblüten und ca. 400 bis 500 gelben, im oberen Bereich trichterförmigen Röhrenblüten bestehen. Auf den Blüten und den Hüllkelchblättern befinden sich Drüsenschuppen, in denen sich das ätherische Öl sammelt. Es werden sehr kleine hell gefärbte Schließfrüchte von höchstens 1 mm Durchmesser gebildet. Charakteristisch für Echte Kamille sind der apfelartige Geruch und der hohle, kegelförmig gewölbte Blütenstandboden, der bei anderen Kamillen markig gefüllt ist.

Vorkommen
Echte Kamille stammt ursprünglich aus Vorderasien und Osteuropa; heute ist sie als Wildpflanze in ganz Europa, Australien und Nordamerika verbreitet. Sie kommt sowohl am Meer als auch in den Bergen vor und wächst häufig auf Wiesen, bebautem Land, an Straßen und in der Nähe von Häusern.
Überwog früher die Wildsammlung, stammt der Rohstoff für Phytopharmaka heute mehrheitlich aus kontrolliertem Anbau in Deutschland, Tschechien, Polen, Ungarn, Spanien, Ägypten, Argentinien und der Türkei.

Anbau
Der Anbau von Echter Kamille erfolgt bevorzugt auf Schwarzerde-, Aue- und sandigen Lehmböden; sie wächst jedoch auch mit geringerem Ertrag auf Braunerde und Sandböden ohne Humus. Der pH-Wert des Bodens sollte im leicht sauren bis alkalischen pH-Bereich liegen. Auf sauren Böden nimmt Echte Kamille verstärkt Schwermetalle wie beispielsweise Cadmium auf, das sich in den Stängeln, aber auch den Blüten anreichert. Der Anbau erfolgt durch Direktaussaat, die im Herbst unter Überwinterung der Pflanzen im Jungpflanzenstadium oder im Frühjahr erfolgen kann. Die Selbstaussaat ist in der Praxis des Kamilleanbaus nicht mehr gebräuchlich.

Zur Produktion von Phytopharmaka verwendete Pflanzenteile
Phytopharmaka enthalten die wirkstoffhaltigen Blüten, die zu Beginn der Blütezeit geerntet werden. Das getrocknete Pflanzenmaterial (Droge) wird lateinisch als Matricariae flos bezeichnet. Das blaue Kamillenöl – lateinisch Matricaria aetheroleum – wird aus den frischen oder getrockneten Blüten und den blühenden Sprossspitzen durch Wasserdampf ­destillation gewonnen. Aus den Blüten wird außerdem ein ammoniakalisch-alkoholisch-wässriger Extrakt hergestellt, der Kamillenfluidextrakt – lateinisch Matricariae extractum fluidum – heißt.

Inhaltsstoffe
Kamillenblüten:

  • ätherisches Öl mit den Sesquiterpenalkoholen (-)-a-Bisabolol, Bisabololoxid A, B und C und Bisabolonoxid, den Sesquiterpenkohlenwasserstoffen a- und ß-Farnesen sowie Spiroether
  • Flavonoide, insbesondere Apigenin und Luteolin
  • Cumarine
  • Schleimstoffe

Kamillenöl:

  • ätherisches Öl mit dem während der Destillation aus dem Sesquiterpenlacton Matricin gebildeten und charakteristisch blauen Chamazulen
  • weitere Zusammensetzung vergleichbar mit der Zusammensetzung der Kamillenblüten

 

Kamillenfluidextrakt:

  • Zusammensetzung vergleichbar der Kamillenblüten

Zubereitungen
Kamillentee besteht vor allem aus zerkleinerten, getrockneten Kamillenblüten. Salben, Kapseln und Tabletten enthalten entweder die zerkleinerte Droge und Kamillenöl oder  mit wässrig-alkoholischem Auszugsmittel gewonnene Extrakte.

Pharmakologische und medizinische Wirkung
Kamillenblüten wirken antimikrobiell und entzündungshemmend, weshalb sie bei Haut- und Schleimhautentzündungen sowie bakteriellen Hauterkrankungen einschließlich der Mundhöhle und des Zahnfleisches eingesetzt werden. Sowohl schlecht heilende Wunden als auch Furunkel, Abszesse, Fisteln, Dermatitis oder Zahnfleischentzündungen lassen sich mit Kamille behandeln. Gegen entzündliche Erkrankungen und Reizzustände der Luftwege wie beispielsweise Bronchitis hilft laut Kommission E das Inhalieren mit drei bis 10 Prozent Droge. Abszesse, Furunkel, Hämorrhoiden im Anal- und Genital­bereich behandelt man mit Bädern (50 g Droge auf 10 l Wasser) und Spülungen (drei- bis zehnprozentige Aufgüsse). Grundlage dafür sind Erfahrungswerte, aber auch der Beleg der Wirksamkeit eines kamillehaltigen Arzneimittels durch klinische Studien. Da Kamille krampflösend wirkt und die Bildung von Magensäure hemmt, hilft sie auch bei Erkrankungen des Magen-Darm-Trakts wie Magenschleimhautentzündungen, Völlegefühl, Durchfall, Blähungen oder Brechreiz. Kamille gilt zwar als nebenwirkungsarm, aufgrund ihres Gehalts an Sesquiterpenen sollte sie jedoch nicht am Auge angewandt werden. Außerdem besteht grundsätzlich das Risiko allergischer Reaktionen, die jedoch häufig durch die Anwesenheit anderer Kamillen im Drogenmaterial hervorgerufen werden.

Echte Kamille (Matricaria recutita L.)

Echte Kamille Matricaria recutita L.)